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Abnehmen durch Spritzen – Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft?!

Was ursprünglich als Diabetes-Medikament auf den Markt gebracht wurde, ist in den USA bereits unter den Celebrities als DAS Wundermittel gegen überschüssige Kilos bekannt. Auch bei uns in Österreich wird die Spritze bereits in der Adipositas-Therapie angewandt – teilweise aber zu leichtfertig… Du fragst dich, was es damit auf sich hat? Schauen wir’s uns genauer an!

Vorab ein kurzer Exkurs in die Therapie des Typ2-Diabetes:

Diabetes Typ 2 liegt dann vor, wenn eine massive Insulinresistenz besteht und der Nüchternblutzucker bzw. der Langzeitzucker (HbA1c) zu hoch sind. Die Zellen sind nicht mehr sensitiv genug für das Hormon Insulin, welches den Zucker eigentlich vom Blut in die Zellen transportieren würde. Die Folge: der Blutzuckerspiegel kann nicht mehr so gut gesenkt werden. Der Körper braucht deshalb Unterstützung. Nun gibt es außer den Insulinspritzen bereits verschiedenste medikamentöse Wege, den Blutzucker zu senken. Es gibt unter anderem Medikamente, welche die Insulinsensitivität der Zellen erhöhen (z.B. Metformin) oder auch welche, die die Ausscheidung des Zuckers über die Niere fördern (SGLT2-Hemmer). Zu diesen sogenannten Antidiabetika zählen auch GLP 1-Analoga. Im Vergleich zu den anderen Präparaten werden sie aber gespritzt und nicht oral eingenommen. GLP1-Analoga (auch GLP 1-Rezeptor-Agonisten) verzögern die Magenentleerung, vermindern das Hungergefühl, verringern die Glukoseausschüttung durch die Leber und stimulieren die Bauchspeicheldrüse (wo das Insulin gebildet wird). Die Spritzen werden entweder täglich oder einmal wöchentlich verabreicht.

Good to know: GLP 1 (Glucagon-like Peptide 1) ist ein körpereigenes Hormon im Darm, welches eine Rolle im Zuckerstoffwechsel spielt, da es – sobald Glukose detektiert wird – die Insulinsekretion in der Bauchspeicheldrüse anregt und zur Sättigung beiträgt!

Was hat ein Antidiabetikum mit dem Abnehmen zu tun?

Disclaimer: In nachfolgendem Absatz spreche ich vor allem stoffwechselgesunde Menschen an (ja, auch mehrgewichtige Menschen können stoffwechsel-gesund sein)! Bei Diabetes oder metabolischem Syndrom gelten individuelle Empfehlungen.

Wie bereits erwähnt, haben GLP-1-Analoga eine verzögerte Magenentleerung und ein vermindertes Hungergefühl zur Folge, bedeutet eine Gewichtsabnahme unter dieser Therapie ist sehr wahrscheinlich, da sich dadurch auch die Energiezufuhr verringert. Bei gleichzeitiger Diät und körperlicher Betätigung könne eine Gewichtsabnahme von bis zu 25 % des Ausgangsgewichts erreicht werden. Klingt zu schön, um wahr zu sein ge? Nun ja, leider kann es unter der Therapie aber zu Nebenwirkungen kommen, die vor allem die Verdauung betreffen: Übelkeit, Erbrechen, ein sensibler Magen, Bauchschmerzen und Durchfall…

Manche würden jetzt vielleicht sagen, dass sie das in Kauf nehmen würden, wenn sie dadurch tatsächlich abnehmen könnten. Und ganz ehrlich, ich finde diese Aussage ziemlich erschreckend! Wie weit sind wir in der Gesellschaft gekommen, wenn… 

  • wir lieber durch Medikamente Gewicht verlieren und dabei Verdauungsbeschwerden in Kauf nehmen, als dass wir uns verdammt nochmal mit unseren Bedürfnissen und Ängsten auseinandersetzen?
  • wir lieber über 1000 € für Spritzen ausgeben, anstatt um das Geld eine ganzheitliche Ernährungsberatung/-therapie in Anspruch nehmen?
  • manche Ärzt*innen ihren Patient*innen Spritzen verschreiben, ohne deren Lebensstil zu hinterfragen oder den Patient*innen die Möglichkeit einer Ernährungstherapie durch Diätolog*innen aufzuzeigen? 
  • ein essgestörtes Verhalten und ein gestörtes Körperbild durch Influencer/ Stars verherrlicht und als erstrebenswert dargestellt wird.

Ja, das ist leider die Realität, aber ich verstehe es nicht!

Was mir dabei durch den Kopf geht…

Unsere Gesellschaft sowie auch unser Gesundheitssystem ist nach wie vor sehr gewichtszentriert. Sobald ein Speckröllchen zu viel da ist oder der BMI vielleicht knapp nicht mehr im Normalbereich ist, wird man dankenswerter Weise von allen möglichen Seiten darauf hingewiesen – das beginnt bereits im Kindesalter. Und dabei ist noch nicht einmal geklärt, ob der Mensch überhaupt gesund ist oder nicht, den man da gerade bewertet. Mittels Blickdiagnose wird ein Urteil getroffen, welches sich jedoch dann massiv auf die Gesundheit auswirken kann. Denn diese Urteile können auf Betroffene einen ziemlichen Druck ausüben! Wäre dieser Druck von außen nicht da, auf Biegen und Brechen dünn sein zu müssen, so würden viele vermutlich erst gar nicht so dick werden. Sie würden sich bei einem bestimmten, für sie vorgesehenes Gewicht einpendeln. Durch Stress, sozialen Rückzug und häufige Diäten kann sich das Gewicht jedoch immer weiter nach oben schaukeln und sich ein essgestörtes Verhalten entwickeln. 

Nun wäre es in der Beratung wichtig, alle Aspekte mit einzubeziehen und die Ursachen der aktuellen Situation zu beleuchten. Es hilft aber nichts, nur das Gewicht und das Energiedefizit im Fokus zu haben, weil man dadurch ja z.B. Essanfälle/Stressessen nicht behandelt (sondern evtl. noch fördert). Sehr oft ist das Gewicht nämlich gar nicht das eigentliche Problem, sondern es steckt noch viel mehr dahinter. Manche haben verlernt, Ihr Hunger und Sättigungsgefühl zu ehren, andere haben massive Probleme, ihren Stress zu bewältigen. Das kann wiederum mit einem niedrigen Selbstwertgefühl einhergehen, welches durch eine bloße Gewichtsabnahme halt nicht auf Knopfdruck vorhanden sein wird.

Nun ist die Spritze leider auch nichts anderes als Symptombekämpfung und nimmt weder Einfluss auf dein Verhältnis zum Essen, dein Ernährungswissen oder die Lebensmittelauswahl (außer, dass vielleicht schwer verdauliches gemieden werden muss aufgrund der Übelkeit). Und versteh mich nicht falsch, manchmal kann es wichtig sein, erst das Symptom zu behandeln, damit man die Ursache angehen kann. Das würde jedoch bedeuten, dass die „Abnehmspritze“ eben NUR dann eingesetzt wird, wenn es als absolut notwendig angesehen wird und gleichzeitig bzw. schon vorher eine Ernährungstherapie gestartet wird. Alles andere ist einfach nur fahrlässig und Blödsinn… Wenn man die Spritze nämlich wieder absetzt, ist ein Jojo-Effekt nicht auszuschließen. Das Erschreckende daran ist, dass Gewichtsschwankungen noch viel gesundheitsschädlicher sind, als wenn man sein Gewicht einfach halten würde. Eine Gewichtsabnahme allein durch Medikamente kann also nicht empfohlen werden.

Fazit

Hinter der simplen Methode, mittels Spritzen schnell Gewicht zu verlieren, stecken doch einige Risiken. Nicht nur schwere Verdauungsbeschwerden, sondern auch eine erneute Zunahme, sobald man damit wieder aufhört, können die Folge sein. Als Diabetes Medikament oder bei metabolischem Syndrom können GLP1-Analoga durchaus gute Erfolge erzielen. Bei gesunden Personen sehen wir es jedoch nicht ein, solche Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, zumal es dem Körper mehr schadet als ihm die Gewichtsabnahme je nützen würde. Ich (Leonie) wünsche mir, dass Ärzt*innen zum Wohle ihrer Patient*innen handeln und sich mehr mit anderen Fachkräften/Therapeut*innen vernetzen, anstatt die Pharmaindustrie um jeden Preis hochleben zu lassen! Holly: Gleichzeitig wünschen wir uns, dass überhaupt das Gesundheitssystem umgekrempelt wird, so dass Fachkräfte überhaupt die Zeit und Möglichkeiten haben, sich wirklich Zeit für alle Patient*Innen zu nehmen! Denn so, wie es gerade mit dem Fachkräftemangel und den schlimmen Arbeitsbedingungen aussieht, ist es leider kein Wunder, dass Patient*Innen wie am Fließband abgearbeitet werden…

Dieser Beitrag wurde gemeinsam mit Diätologin Leonie Meil erstellt. Vielen Dank für deine Unterstützung, Leonie! Ernährungstherapeutische Hilfe bekommst du bei ihr – hier geht es zu ihrem Kalender, um ein kostenfreies Erstgespräch zu buchen: https://calendly.com/leoniemeil/30min

Quellen:

https://flexikon.doccheck.com/de/Glucagon-like_Peptide-1

Wilding JPH. et al.: Once-weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med 2021; 384: 989-1002, DOI: 10.1056/NEJMoa2032183

Davies M. et al.: Semaglutide 2,4mg once a week in adults with overweight or obesity, and type 2 diabetes (STEP 2): a randomised, double-blind, double-dummy, placebo-controlled, phase 3 trial.Lancet 2021; 397: 971-984, DOI: 10.1016/S0140-6736(21)00213-0

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