Ekelst du dich noch oder probierst du schon?
Ja richtig gehört! Auch in Österreich wird der Einsatz von Insekten in Lebensmitteln immer relevanter. Am 24.02. ist ein neues EU-Gesetz in Kraft getreten, welches die Verwendung von bestimmten Insekten in Produkten erlaubt. Wie schauts bei dir aus? Ekelst du dich noch oder könntest du dir sogar vorstellen, solche Produkte in Zukunft regelmäßig zu kaufen? Insekten werden bereits in vielen Ländern der Welt verspeist und weisen ernährungsphysiologisch sowie klimatechnisch einige Benefits auf. In diesem Beitrag erfährst du vorab alle wichtigen Fakten!
Mehr zur Lebensmittelsicherheit
Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) übernimmt im Rahmen der Verordnung über neuartige Lebensmittel („Novel Food Regulation“) die wissenschaftliche Bewertung der Insektenarten. Auf deren Ergebnis basiert schlussendlich die Zulassung der einzelnen Arten. Außerdem benötigen Hersteller eine eigene Zulassung für jede Insektenart, die sie züchten und verarbeiten möchten.
Derzeit zum Verzehr erlaubte Insekten in der EU sind die Hausgrille, Larven des Getreideschimmelkäfers und des Mehlkäfers sowie die Wanderheuschrecke. Das neue Gesetz ermöglicht die Verarbeitung von Getreideschimmelkäferlarven und Hausgrillen zu entfettetem Pulver oder Pasten, welches dann in verschiedenen Lebensmitteln beigemengt werden darf. Insekten sind aber auch als Ganzes in gefrorener oder getrockneter Form oder als Mehl erhältlich.
Außerdem gibt es Regelungen zur mikrobiologischen Untersuchung, Behandlung der toten Tiere und der Kennzeichnung auf dem Endprodukt. Insekten müssen in der Zutatenliste mit Artnamen (lateinisch und deutsch) gekennzeichnet werden. Zusätzlich sind Allergiehinweise notwendig. Die EFSA kam nämlich zu dem Schluss, dass Personen mit Krusten-, Weich- und Schalentier-Allergie bzw. mit Hausstaubmilbenallergie eine Kreuzreaktion aufweisen können! Deshalb ist der Verzehr von Insekten für diese Personen nicht empfohlen!
Mehr zu Tier- und Umweltschutz
Aus der Sicht von Veganer*Innen haben alle Lebewesen – Insekten eingeschlossen – das Recht auf Leben. Der Konsum von Larven und Co. wird demnach genau wie der von anderen Nutztieren als Ausbeutung angesehen. Im Rahmen der veganen Ernährung sind Insekten also leider keine Alternative!
Das war auch meine (Holly) persönliche Problematik mit den Insekten. Ich habe mir Insekten sehr wohl als Alternative /Ergänzung näher angesehen – konnte auch feststellen, dass geschmacklich einige Produkte schon echt viel können – aber meine ethische Einstellung zu diesem Thema macht es für mich (!) eher unattraktiv.
Dennoch gibt es einige Unterschiede in der Haltung, Tötung und Verarbeitung von Insekten gegenüber anderen Nutztieren. Die gezüchteten Insekten können „artgerechter“ gehalten werden als Kühe, Schweine oder Hühner beispielsweise. Warum unter Anführungsstrichen? Weil artgerecht streng genommen nur die Freiheit ist. Trotzdem brauchen Insekten viel weniger Platz und können in großen Herden leben. CO2-Emissionen fallen demnach also um einiges geringer aus. Die Tötung wird durch Kühlung der Umgebungsluft eingeleitet. Die Insekten würden dabei also in eine Art Winterschlaf fallen und keine Schmerzen spüren.
Die Verarbeitung von Insekten ist außerdem um einiges effizienter! Der Körper von Insekten kann zu 100 % weiterverarbeitet werden, ohne dass Schlachtabfälle entstehen. Bei Rindern können im Vergleich nur ca. 40 % des Körpers verarbeitet werden. Aus umweltschutztechnischen Gründen hat der Konsum von Insekten also große Vorteile.
Bedeutung für unsere Ernährung
Fakt ist, dass wir aufgrund der immer weiter steigenden Weltbevölkerung unseren Planeten Erde ausbeuten und mit unserem derzeitigen Essverhalten ein großes Risiko für den Klimawandel darstellen. Immer mehr Menschen springen also auf den Zug auf, weniger vom Tier und mehr von der Pflanze zu konsumieren. In gewissen Bereichen hat dies natürlich auch gesundheitliche Vorteile: weniger tierische Fette, die, vor allem bei gleichzeitigem Nährstoffmangel, Bewegungsmangel und einem hohen Verarbeitungsgrad zu erhöhten Blutfettwerten beitragen; mehr ungesättigte Fettsäuren durch ausgewählte Pflanzenölen und ein höherer Ballaststoffanteil für einen gesunden Darm. Es kann manchmal aber sogar Nachteile mit sich bringen – vor allem in Punkto Eiweißzufuhr. Pflanzliche Eiweißquellen schneiden von der Qualität des Proteins nämlich etwas schlechter ab als tierische Eiweißquellen. Das liegt an der biologischen Wertigkeit, die angibt, wie viel Eiweiß aus den Lebensmitteln der Körper zu körpereigenem Protein aufbauen kann. Da uns tierisches Protein ähnlicher ist und einen höheren Gehalt an den essentiellen Aminosäuren aufweist, ist dieses auch besser verfügbar für unseren Körper. In der pflanzenbasierten Ernährung ist es daher wichtig, über geeignete Kombinationen wie z.B. Hülsenfrüchte mit Getreide Bescheid zu wissen, um die Eiweißqualität der Nahrung zu verbessern.
Insekten sind hier eine geeignete Alternative. Sie enthalten nämlich alle essentiellen Aminosäuren und stellen eine hochwertige Eiweißquelle dar. Die biologische Wertigkeit ist den von anderen tierischen Lebensmitteln ähnlich. Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen den einzelnen Insekten. Grillen haben eine etwas höhere biologische Wertigkeit. Jedoch können auch andere Insektenarten kombiniert mit Getreideprodukten eine vollwertige Eiweißquelle darstellen. Getreide enthält nämlich weniger von der Aminosäure Lysin, welche wiederum in Insekten in höheren Mengen vorkommt. Dadurch ergibt sich eine optimale Ergänzung zu pflanzlichen Eiweißquellen. (Oibiokpa et al., 2018). Man muss jedoch sagen, dass der Proteingehalt durch die verzehrfähige Menge limitiert ist. Man würde wohl kaum 50 g getrocknete Mehlwürmer auf einmal essen, um auf seine 25-30 g Eiweiß pro Mahlzeit zu kommen. Deshalb sehen wir Insekten eher als Ergänzung zum üblichen Speiseplan, weniger als direkten Ersatz. Wenn dadurch jedoch hier und da Fleisch, Wurst und Co. eingespart werden können – umso besser!
Weiters weisen Insekten eine geeignetere Fettsäurenzusammensetzung auf als andere tierische Lebensmittel. Sie haben einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Im Tierversuch konnte bereits unter Konsum von Insekten eine Senkung des LDL-Cholesterins festgestellt werden (Oibiokpa et al., 2018).
Auch der Mineralstoffgehalt der kleinen Tierchen kann sich sehen lassen. Insekten seien eine gute Quelle für Zink und Eisen und stellen auch damit eine optimale Alternative zu Fleisch dar. Wissenslücken bestehen hinsichtlich der Bioverfügbarkeit und des Einflusses von hemmenden Faktoren auf die Mineralstoffaufnahme (Mwangi et al., 2018).
In vielen Teilen der Welt gehören Insekten bereits regelmäßig auf den Speiseplan. In unseren Breiten sind diese Lebensmittel jedoch wirklich neuartig und werden als ungenießbar angesehen. Um das Gefühl von Ekel aufzulösen, hilft eigentlich nur Konfrontationstherapie. Du wirst sehen, wenn du erstmal etwas davon probiert hast, wird es gar nicht mehr so schlimm sein und es wird dir vielleicht sogar schmecken. Das ist wie bei Kindern, die das erste Mal Brokkoli probieren und einfach Zeit brauchen, bis sie ihn auch tatsächlich gerne essen.
Zusammengefasst
Insekten in Lebensmitteln sind aus ernährungsphysiologischer Sicht positiv zu bewerten. Sie stellen eine hochwertige Eiweißquelle und damit eine gute Alternative zu Fleisch dar. Außerdem weisen sie eine günstigere Fettsäurezusammensetzung auf als übliche tierische Lebensmittel. Auch aus Klimaschutzgründen ist ein vermehrter Einsatz von Insekten in Lebensmitteln zu begrüßen, die CO2-Emissionen sind um einiges geringer verglichen mit der üblichen Massentierhaltung. Für Veganer*Innen sind Mehlwürmer und Co. jedoch keine Alternative. Bei einer Hausstaubmilben-, Schalen- und Weichtierallergie wird gänzlich vom Verzehr abgeraten. Dieser Hinweis muss sogar am Endprodukt draufstehen. Auch für Menschen mit Zöliakie sind diese Produkte nicht geeignet, da sie meist Spuren von Gluten enthalten! Wenn diese Dinge bei dir nicht zutreffen, dann steht dir vermutlich nur noch der Ekel im Weg. Besonders in verarbeiteter Form wirst du die Insekten aber nicht erkennen oder herausschmecken. Sei also gerne mutig! Abschließend kann man sagen, dass Insekten nicht als Ersatz, sondern als ergänzende Eiweißquelle zu sehen sind.
Fragen zu diesem Thema sind sehr gerne jederzeit willkommen!
Dieser Beitrag wurde gemeinsam mit Diätologin Leonie Meil erstellt. Vielen Dank für deine Unterstützung, Leonie! Ernährungstherapeutische Hilfe bekommst du bei ihr – hier geht es zu ihrem Kalender, um ein kostenfreies Erstgespräch zu buchen: https://calendly.com/leoniemeil/30min